Performance Abstand
Abstand als mobile Performance
Ein unaufdringlicher Kommentar zu Corona und Konsum
Ein Bericht von Ralf Schröder
Ein kalter Corona-Samstagnachmittag im Dezember 2020. Es regnet nicht, es schneit nicht, die Sonne scheint nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Unter diesem Himmel kooperieren: eine Stadt, eine Pappröhre, zwei Menschen. Die Stadt ist Aachen, die Pappröhre stammt aus einem Teppichladen, die Menschen sind die Tanzkünstlerin Maureen Lomb und der Tanzkünstler Alekzandr Szivkov.
Der Plot geht so: Lomb und Szivkov bewegen sich durch die Straßen und wechseln dabei permanent ihre motorischen Zustände. Synchronisierte Tanzfiguren, rascher Marschtritt, gymnastisch anmutende Übungen im zuckenden Rhythmus, frontales Zueinanderstehen mit starrem Blickkontakt, akrobatische Slow Motion mit stark verbogenen Körperteilen, gemächliches, zielfreies Schlendern. Nur eines bleibt gleich: Die Pappröhre ist immer zwischen den Tänzern. Sie schafft und markiert den Abstand, die für notwendig erachtete Minimal-Distanz, die in den vergangenen Monaten allgemein eingeübt werden musste. „Abstand“ ist auch der Titel des Acts.
Die Schwärmerei für die Natur kommt von der Unbewohnbarkeit der Städte.
Bertolt Brecht
„Mit den Bildern der mobilen Performance wollen wir visuell irritieren“, sagt Initiator Yorgos Theodoridis. „Der Wechsel ist Prinzip. Die Tänzer wechseln andauernd ihre Bewegungsabläufe und damit auch das Tempo. Gleichzeitig wechselt die urbane Kulisse andauernd ihre Anmutung. Es geht um Abstand und Kontakt, um schnell und langsam. Auch darum, die Langsamkeit neu zu entdecken.“ Auslöser für das Projekt, das unter dem Titel dance/re/public eine ganze Serie thematisch unterschiedlicher Stadtspaziergänge umfasst, war die Corona-Situation und die Idee von Videokünstler Christoph Giebeler, den öffentlichen Raum kulturell zu erschließen. Theodoridis, in der Aachener Tanzszene seit vielen Jahren eine feste Größe, hat darauf hin die Choreografien entwickelt und setzt sie für den Verein CulturBazar e.V. um, dessen Vorsitz er innehat.
Wenn die Kunst zum Publikum geht
„Da die Theater geschlossen sind, möchten wir neue Bühnen erschließen. Und zwar solche, die bisher anders wahrgenommen werden: dance/re/public macht den öffentlichen Raum mit Kunst lebendig und überlässt ihn nicht nur einer ökonomischen Zweckstruktur.“ So wollen Theodoridis und seine Künstlerkolleg*innen die Kunst auch zu Menschen bringen, die sonst damit nicht in Berührung kommen. Und speziell zur Weihnachtszeit will man probieren, ob und wie der Gedanke „Kunst statt Konsum“ eine Resonanz finden kann. „Kunst“, fasst Theodoridis zusammen „ist und soll gesellschaftsrelevant sein, also gehört sie auf die Straße.“
Kooperationspartner
Christoph Giebeler Visuelle Kommunikation
CulturBazar e.V
Gefördert von
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Region Aachen Zweckverband
Kulturbetrieb der Stadt Aachen
Performance
Maureen Lomb & Alekszandre Szivkov
Choreografie
Yorgos Theodoridis
Musik
Samuel Reissen
Video & Fotografie
Christoph Giebeler